Hass im Netz hinterlässt Spuren. Er verletzt, schüchtert ein – und bringt Menschen zum Schweigen. Rund 70 % derjenigen, die selbst betroffen waren, beteiligen sich seltener an Online-Diskussionen. Besonders häufig fehlen dann die Stimmen junger Frauen, queerer Menschen oder Personen mit (sichtbarem) Migrationshintergrund – also genau jener Personen, die gesellschaftliche Vielfalt sichtbar machen. Aber auch viele, die nicht selbst Zielscheibe waren, ziehen sich aus Angst zurück.
Die Grenze zwischen digitaler und analoger Gewalt ist dabei fließend. Übergriffe auf Politiker*innen belegen das eindrücklich: Wer im Netz angegriffen wurde, ist laut einer Befragung der TU München und HateAid auch im realen Leben deutlich häufiger von Gewalt betroffen. Viele politisch Engagierte ziehen deshalb in Erwägung, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Unter Frauen ist dieser Gedanke sogar signifikant häufiger als unter Männern – mit der Folge, dass bestimmte Gruppen aus dem politischen Leben systematisch verdrängt werden könnten.
Dabei ist es nicht allein der Hass, der Menschen verstummen lässt. Viele fühlen sich mit den Angriffen allein gelassen. Es mangelt an Unterstützung, Solidarität und öffentlicher Gegenwehr. Genau hier muss die gesellschaftliche Antwort auf Onlinehass ansetzen.
Eine solche Antwort kann jede und jeder geben – zum Beispiel durch Gegenrede in Kommentarspalten, wenn andere beleidigt, bedroht oder herabgewürdigt werden. Dabei sollte man sich über die eigenen Ziele im Klaren sein: Die meisten Hetzer*innen wird man nicht durch ein paar Kommentare bekehren. Die Motive für Hasspostings sind komplex. Doch Gegenrede wirkt – wenn auch nicht primär auf die Täter*innen, sondern auf die Betroffenen und das oft stille Publikum. Solidarität zeigen und Haltung beziehen, darum geht es.
Dabei gilt: Wie im analogen Leben geht Selbstschutz vor Fremdschutz. Wer sich gegen Hass im Netz engagiert, sollte sich fragen, ob er oder sie aktuell die zeitlichen und psychischen Ressourcen dafür hat. Wird es zu viel, darf man blockieren – digitale Grenzen zu ziehen ist legitim und notwendig.
Denn wenn Angst den Diskurs bestimmt, wird Meinungsfreiheit zur leeren Hülle. Zwar schützt das Grundgesetz die Meinungsfreiheit, doch sie findet laut Artikel 5 Absatz 2 ihre Grenzen dort, wo strafbare Inhalte beginnen – etwa Volksverhetzung (§ 130), Bedrohungen (§ 241), Verleumdung (§ 187) oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86a). Hass im Netz ist an sich kein eigener Straftatbestand (und im Übrigen auch kein juristischer Begriff), er ist aber dann strafbar, wenn er einen konkreten Tatbestand erfüllt. Was offline strafbar ist, ist es auch online. Trotzdem melden nur 5 % der Nutzer*innen Hass im Netz der Polizei – die Hemmschwelle ist offenbar hoch.