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Gemeinwohlorientierte KI: Ist die Zivilgesellschaft „AI-ready”?

Civic Coding-Kurzstudie: Mithilfe von Expert*inneninterviews, einer quantitativen Umfrage und einer Literaturauswertung wurde untersucht, wie die aktuelle AI-Readiness, also die KI-Mündigkeit der Zivilgesellschaft aussieht, welchen Herausforderungen sie sich stellen muss und wie die Zivilgesellschaft befähigt werden kann, KI-Anwendungen bedarfs- und wirkungsorientiert sowie wertegeleitet einzusetzen.

KI ist nicht länger eine Technologie der Zukunft. Sie wird genutzt, um Prozesse zu optimieren, Erkenntnisse aus Daten zu gewinnen und Dienstleistungen zu schaffen. Während Akteur*innen der Wirtschaft von diesen Vorteilen profitieren, sind zivilgesellschaftliche Organisationen oft nicht in der Lage, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um KI sinnvoll einzusetzen. Es mangelt an strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen wie verfügbare Ressourcen, Zugang zu Fachwissen und Erfahrung bei der Implementierung.

Dabei erfüllt die organisierte Zivilgesellschaft in Deutschland eine Vielzahl von Funktionen, die für das gesellschaftliche, politische und soziale Gefüge des Landes von zentraler Bedeutung sind. Neben der Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts erbringen sie vor allem zentrale Dienstleistungen. In den Bereichen Bildung, Gesundheit, soziale Teilhabe, Armutsbekämpfung und Umweltschutz ergänzen sie beispielsweise staatliche wie private Angebote und lösen damit gesellschaftliche Herausforderungen flexibel und bedarfsorientiert.

Die Kurzstudie gibt einen Einblick in die „AI-Readiness“ (die KI-Mündigkeit) der organisierten Zivilgesellschaft in Deutschland angesichts der Herausforderungen und Chancen, die durch Digitalisierung und den Einsatz von KI-Anwendungen entstehen. Das zentrale Erkenntnisinteresse liegt in der Frage „Ist die Zivilgesellschaft „AI-ready“?“, wobei die Studie die Voraussetzungen für eine effektive und verantwortungsvolle Nutzung von KI in zivilgesellschaftlichen Organisationen analysiert. Methodisch stützt sich die Untersuchung auf eine Kombination aus Expert*inneninterviews, einer Umfrage in 120 zivilgesellschaftlichen Organisationen und einer Sekundärdatenanalyse.

Folgendes differenziertes Bild der zivilgesellschaftlichen AI-Readiness ergibt sich aus der Kurzstudie.

Digitalisierung als Basis für KI

  • Grundlegende digitale Infrastruktur: Die Mehrheit der Organisationen nutzt gängige digitale Tools wie E-Mail-Verteiler, Cloud-Speicher und Textverarbeitungsprogramme. Dies zeigt, dass eine digitale Basis für die Nutzung von KI vorhanden ist.
  • Ungleichheiten zwischen kleinen und großen Organisationen: Kleinere Organisationen kämpfen oft mit Ressourcenmangel, während größere über fortgeschrittenere Prozesse und bessere Datenzugänge verfügen. Dabei ist nicht die Größe allein entscheidend, sondern die Anzahl hauptamtlichen Personals und, ob es IT-Verantwortliche in einer Organisation gibt oder nicht.

KI-Nutzung: Operativ, nicht strategisch

  • KI wird hauptsächlich für einfache operative Aufgaben genutzt, etwa Textgenerierung (55 %) und Übersetzungen (52 %). Fortgeschrittene Anwendungen wie strategische Datenauswertung (28 %) oder KI-gestützte Innovationsprojekte (18 %) sind seltener.
  • Die meisten Organisationen haben keine klaren KI-Strategien; der Einsatz erfolgt oft ad hoc, ohne langfristige Planung.

Herausforderungen bei Ressourcen und Infrastruktur

  • Finanzielle und personelle Ressourcen fehlen insbesondere kleinen Organisationen, was den Einsatz und die Integration von KI hemmt.
  • Nur 16 % der Organisationen nutzen KI-Infrastrukturen, während spezialisierte Entwicklungsumgebungen nahezu nicht vorhanden sind.

Verantwortungsvolle KI als Ziel

  • Datenschutz (71 %) wird von den meisten Organisationen als zentrales Prinzip betrachtet. Aspekte wie die Reduktion von Datenbias (25 %) oder die Nutzung erklärbarer KI (28 %) sind jedoch noch wenig umgesetzt.
  • Open-Source-Lösungen könnten Transparenz und Gemeinwohlorientierung fördern, werden jedoch selten genutzt.
  • Erwartungen der Organisationen: Fast alle Organisationen fordern den Ausbau der Breitbandinfrastruktur (95 %) und die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung (98 %).
  • Kleinere Organisationen wünschen sich vermehrt Zugang zu Fördermitteln und digitalen Basiskompetenzen, während größere Organisationen mehr Investitionen in die KI-Forschung (76 %) und Open Data (73 %) fordern.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse zeigen, dass die deutsche Zivilgesellschaft in Bezug auf die Nutzung und Integration von KI noch in den Anfängen steckt, jedoch viel Potenzial vorhanden ist. Die deutsche Zivilgesellschaft ist somit teilweise „AI-ready“, aber mit großen Einschränkungen:

  • Stärken: Es gibt eine solide digitale Basis und vereinzelte Vorreiter*innen, die KI erfolgreich einsetzen. Die Offenheit für ethische Prinzipien zeigt ein Bewusstsein für verantwortungsvolle KI-Nutzung.
  • Schwächen: Der Mangel an Strategien, Ressourcen und fortschrittlicher Infrastruktur bremst die Integration von KI. Ebenso sind Entscheider*innen für Themen wie Datenbias und erklärbare KI noch nicht flächendeckend sensibilisiert. Vor allem kleinere Organisationen sind auf externe Unterstützung angewiesen, um den Anschluss an die Digitalisierung und KI-Entwicklung nicht zu verlieren.

Um die AI-Readiness der Zivilgesellschaft zu fördern, sind gezielte Maßnahmen nötig: Finanzielle Unterstützung, Zugang zu Schulungen, Schaffung von geeigneten politischen Rahmenbedingungen bzw. politische Interessenvertretungen, um Grundbedürfnisse dieser Organisationen und der gesamten Zivilgesellschaft zu adressieren, und der Ausbau von Netzwerken, um Synergien zu schaffen. Mit diesen Schritten kann die Zivilgesellschaft befähigt werden, KI nicht nur effizient, sondern auch gemeinwohlorientiert einzusetzen.

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Wer treibt gemeinwohlorientierte KI-Projekte in Deutschland voran?

Wie solche Unterstützungsleistungen aussehen können, zeigt die Civic Coding-Projektberatung 2024, durch die wir rund 90 gemeinwohlorientierte KI-Projekte unterstützen konnten. Unsere Begleitforschung dazu liefert Einblicke in das Feld der Gemeinwohlorientierten KI in Deutschland. Was macht gemeinwohlorientierte KI-Projekte aus? Was sind ihre Herausforderungen und Bedarfe? Wo kann Förderung bedarfsgerecht ansetzen? Erfahre mehr im Abschlussbericht der Civic Coding-Projektberatung 2024.

Unsere Kurzstudie auf der re:publica

Dieses Jahr sind wir wieder bei der re:publica dabei – und haben unsere druckfrische Kurzstudie im Gepäck! Wir stellen die Ergebnisse der Studie vor und wollen gerne das Thema AI-Readiness mit euch diskutieren.

Weitere Informationen zu unseren Angeboten bei der re:publica 2025 findest du in der Veranstaltungsankündigung.

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