In einer interaktiven Übung konnten die Teilnehmenden die Methodik des Ethics Canvas selbst ausprobieren. Dabei ging es um den fiktiven Fall des Unternehmens IdentiFace, das eine kleine, über dem Babybett platzierbare Kamera anbietet, mit der durch Gesichtserkennung die Bedürfnisse von Säuglingen analysiert und über eine App an die Eltern kommuniziert werden. Das Unternehmen wirbt damit, dass durch das Produkt die Eltern-Kind-Beziehung gestärkt wird und Kindesbedürfnisse seltener vernachlässigt werden.
Die Teilnehmer*innen haben zu den einzelnen Schritten ihre Gedanken und Ideen eingebracht. Sie analysierten zunächst die betroffenen Individuen, das heißt die Personen, die das Produkt nutzen oder davon betroffen sind – in diesem Fall unter anderem Säuglinge, Eltern und Babysitter*innen, aber auch Ärzt*innen oder Entwickler*innen der Software. Auch die betroffenen Gruppen, die in Gestaltung, Produktion und Vertrieb des Produkts involviert oder darüber hinaus davon betroffen sind – beispielsweise Jugendämter, IT-Dienstleister*innen oder Psycholog*innen – wurden diskutiert.
Im nächsten Schritt ging es um das Verhalten und wie sich beispielsweise Gewohnheiten, zeitliche Abläufe oder Aktivitäten durch das Produkt ändern. Hier wurden sowohl mögliche positive Effekte, wie mehr Sicherheit im Umgang mit dem Kind oder mehr Zeit für andere Aktivitäten, als auch negative Auswirkungen, wie weniger Nähe und Aufmerksamkeit sowie eine mögliche Verschlechterung der Kommunikation zwischen Eltern und Kind, genannt.
In der Kategorie „Verbindungen“ ging es darum, wie sich die Beziehungen zwischen Menschen und/oder Gruppen durch das Produkt verändern. Bezogen auf das Fallbeispiel wurde aus der Gruppe unter anderem die Beziehung zwischen den beiden Elternteilen genannt, die möglicherweise Entlastung erfahren, weil beide ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse des Kindes haben.
Es folgte das Thema der Weltanschauungen und welche Auswirkungen das Produkt auf diese hat. Blindes Technikvertrauen, Effizienzgetriebenheit und ein Management-Ansatz der Erziehung waren hier einige der Ideen, die die Teilnehmenden diskutierten.
Anschließend beschäftigen sich die Teilnehmenden mit Gruppenkonflikten, die durch das Produkt entstehen können. Sie arbeiteten heraus, dass zwischen Elternteilen und zwischen Eltern und der Kita aufgrund einer Überwachung der pädagogischen Mitarbeitenden Konflikte entstehen könnten.
Als weiterer Aspekt wurden negative Auswirkungen eines Produkt- oder Dienstleistungsausfalls besprochen. Dazu gehörten für die Teilnehmenden beispielsweise der Tamagotchi-Effekt (Entwicklung einer emotionalen Bindung zu Maschinen, Robotern oder Software-Agenten), mögliche Unterversorgung oder auch Diskriminierung und Bias.
Der problematische Umgang mit Ressourcen und potenzielle negative Auswirkungen des Produkts auf den Ressourcenverbrauch war die nächste diskutierte Kategorie. Neben dem hohen Strom- und Wasserverbrauch wurden hier auch negative Konsequenzen für die „Ressource Mensch“, beispielsweise durch einen geringeren Personalbedarf in Kitas und daraus resultierenden niedrigeren Betreuungsschlüssel angeführt.
Abschließend wurden auf der Handlungsebene die wichtigsten ethischen Auswirkungen und wie diese angegangen werden können, diskutiert. Eine Idee war die Limitierung der Nutzungszeit, um eine Abhängigkeit der Eltern von der Technologie zu verhindern. Zudem können Schulungen dem blinden Vertrauen in die Technik entgegenwirken, außerdem wurde eine begleitete Testphase zu (langfristigen) Folgen angeregt. Wichtig sei auch ein transparenter Umgang mit den gespeicherten Daten.